Kopfrausch – ein Interview mit Katrin und Romina

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Heute möchte ich Euch zwei tolle Frauen vorstellen, die vor allem in der Schweiz dafür sorgen, dass mit dem Thema Alopezie offen umgegangen wird. Zwei Frauen, die selbst von Alopecia areata betroffen sind und mit ihrer Firma Kopfrausch GmbH Gleichgesinnte sowie an Krebs erkrankte Frauen bestmöglich unterstützen möchten.

Romina Rausch und Katrin Kreuels sind die Gesichter hinter Kopfrausch und ich habe mich sehr gefreut, dass sie mir einige Fragen beantwortet haben. Diese möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten.

Ihr seid beide selbst betroffen. Wie ist Euer Umgang mit der Erkrankung? Gibt es da Unterschiede zwischen Euch?

Nach so vielen Jahren gehen wir beide sehr offen mit unserer Krankheit um, jedoch zeigen wir uns ganz unterschiedlich in der Öffentlichkeit. Romina trägt unheimlich gerne Perücken und dazu dann je nach Gelegenheit unsere Headfashion Linie RRby. Katrin hingegen trägt nie eine Perücke, sondern nur die Headfashion von RRby oder Glatze.

Ihr habt als Motto „Du musst nicht dein Leben verändern, sondern lebe Deine Veränderung“. Wie genau sollen das betroffenen Frauen Eurer Meinung nach umsetzen?

Lebe deine Veränderung bedeutet für uns, dass wir Betroffene dazu ermutigen zum Haarverlust zu stehen und sich nicht zu verstecken.

Die Mission von Kopfrausch ist es mit ganz viel Öffentlichkeitsarbeit die Bevölkerung besser über die Ursachen der Haarlosigkeit aufzuklären und das Thema Glatze zu enttabuisieren, so dass sich künftig wegen komischer Blicke niemand mehr verstecken muss. Eine Glatze zu tragen soll so normal werden wie eine Brille zu tragen.

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Wie habt Ihr Euch getroffen/kennengelernt?

Wir haben uns im Frühjahr 2017 kennengelernt, als Romina für ein RRby Shooting noch Modelle suchte. Romina entdeckte ein Hochzeitsfoto von Katrin, wo sie in einer wunderschönen Kopfbedeckung zu sehen ist und war total begeistert. Nach einem langen ersten Telefonat haben wir uns dann auf einen Kaffee in der Stadt getroffen und fühlten uns sofort verbunden.

Vor kurzem habt Ihr gemeinsam mit „Die Haarspender“ eine Haarspende-Aktion veranstaltet. Auf welche Events können wir uns noch freuen?

Wir bieten unterschiedliche Arten von Events an. Zum einen sind es Event wo es um den Spass geht, um das Zusammensein mit Gleichgesinnten etc. Andererseits bieten wir aber auch Infoveranstaltungen, Coachings oder Fotoshootings an.

Wir hatten zum einen schon Bodypainting oder Henna Events, wie Du auf den Fotos sehen kannst.

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Ihr habt nicht nur einen Online-Shop sondern auch ein Ladengeschäft. Von der Planung bis zur Umsetzung – wie lange hat das bei Euch gedauert?

Wir haben im Spätherbst 2017 angefangen nach passenden Ladenlokalen zu schauen und haben uns dann im Januar 2018 für das Lokal in Herisau entschiedenen. Dann haben wir 3 Monate lang zu viert von Hand renoviert und am 20. April dann die Eröffnung gefeiert.

Welches sind Eure Designfavoriten im Shop?

Ganz klar unsere eigene Kollektion von RRby. Romina mag die Modelle Dutt und Chandelle, Katrin eher die Modelle Treccia und Cappio.

Wie oft bringt Ihr ein neues Design auf dem Markt?

1-2 mal im Jahr. Wir produzieren Kleinserien und daher gibt es immer wieder neue Stoffe die verarbeitet werden.

Kann sich jeder bei Euch bzw. rrby als Designer bewerben bzw. einbringen?

Jeder der selber oder im nahen Umfeld von der Haarlosigkeit betroffen ist und eine kreative Ader und gute Ideen hat. Die RRby Webseite wird in naher Zukunft nur noch eine Designer Plattform sein, bei der sich Interessenten direkt bewerben können.

Welche negativen Erfahrungen habt Ihr aufgrund der Erfahrung schon machen müssen?

Wenn man als Frau mit einer Glatze in die Öffentlichkeit tritt, muss man einfach mit den Blicken umgehen können, die einem Treffen. Diskriminierend kann es schon mal am Flughafen werden, bei der Sicherheitskontrolle oder bei der Einwohnerkontrolle, wenn man einen neuen Pass braucht. Ein Glatzenbild wird da nicht akzeptiert.

Romina hatte früher Ihre Mühe in der Schule oder im Thema Partnerschaft. Zwei Gesichter zu haben fordert leider auch heute noch immer viel Akzeptanz.

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Und welche positiven Erlebnisse hattet Ihr schon?

Es gibt so einige positive Nebeneffekte bei der Haarlosigkeit, z.B ist man morgens schneller parat, man kann sich das viele Geld für den Friseur sparen und wenn es mal extrem heiss ist draussen, kann man einfach „oben ohne“ gehen.

Zwischenmenschlich positive Erlebnisse erleben wir beide am  meisten bei uns im Kompetezzentrum Kopfrausch in Herisau, oder an einem Come together (kreisrunderhaarausfall.de) in Deutschland. Ausserdem bekommen wir mit unserer eigenen Headfashion Linie RRby sehr viele Komplimente.

In Deutschland hat man oft das Gefühl, dass man mit Alopecia ein Außerirdischer ist und niemand diese Krankheit kennt. Wie bekannt ist die Erkrankung (in welcher Form auch immer) in der Schweiz? Habt Ihr da Anhaltspunkte?

Auch hier in der Schweiz ist die Krankheit Alopecia weitgehend unbekannt und jeder der neu erkrankt fühlt sich erstmals alleine.

Deshalb hat Romina den Verein AAD Schweiz gegründet, www.kreisrunderhaarausfall.ch. Es ist der Tochterverein vom AAD Deutschland den es schon seit mehr als 25 Jahren gibt.  Auf der Seite findet man sämtlich Informationen über Alopecia Areata und kann auf den Veranstaltungen des Vereins auch Gleichgesinnte treffen.

Romina besucht auch regelmässig dermatologische Praxen in der Schweiz und verteilt die Flyer des Vereins, so dass Betroffenen schnellst möglich Zugang zu Gleichgesinnten finden, bzw. einen kompetente Anlaufstelle haben.

Ihr seid beide schon lange Zeit in aktive Alopecianer. Wie hat Euch das im Laufe der Zeit verändert?

Katrin: Über bald 20 Jahr vom Schockzustand zur fast vollkommenen Zufriedenheit. Erst habe auch ich mich unter einer Perücke versteckt, aber da ich mich nie wohl gefühlt habe, war schnell klar, dass ich lieber mit Kopfbedeckungen raus gehe. Kurzerhand habe ich meine Arbeitskollegen informiert und fühlte mich richtig befreit. Nach weiteren 10 Jahren erst, war ich soweit, dass ich auch mit Glatze aus dem Haus ging. Erstmal aber nur im Urlaub, heutzutage auch im eigenen Dorf.

Romina: Ich habe es ebenfalls fast 20 Jahre. Die ersten 10 Jahre lebte ich sehr versteckt. Es wussten nur die aller engsten Freunde und meine Familie Bescheid. Das heisst nicht das ich nicht ständig die wildesten Partys gefeiert habe, nein, ich war einfach ein Meister der Tarnung. 10 Jahre später traf ich an einem Come togheter (Anlass vom Verein AAD Deutschland) das erste Mal auf viele Gleichgesinnte Danach änderte sich vieles bei mir. Ich liebe zwar immer noch meine Perücken, jedoch trage ich auch seit einigen Jahren vermehrt Kopfbedeckungen. Wenn ich Lust auf schwarze Haare habe trage ich schwarz. Wenn ich am nächsten Tag brünett oder rot in lang oder kurz tragen will trage, mache ich das. Früher wäre diese schnelle Verwandlung nicht denkbar gewesen. Ganz oben ohne bin ich nur beim Sport oder wenn es einfach viel zu heiss ist. Die Akzeptanz so zu leben wie ich jetzt bin ist eine Frage der Zeit. Es ist ein Prozess. Es gibt kein Richtig und kein Falsch oder eine eine zeitliche Beschränkung. Jeder soll und darf so sein und leben wie er/sie ist.

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Welche Produkte außer Kopfbedeckungen bietet Ihr noch an und gibt es dazu auch Workshops?

Wir bieten nebst Kopfbedeckungen auch Perückenzubehör, Echthaar-Augenbrauen und Wimpern zum Kleben, Schminkprodukte, sowie Pflegeprodukte für Echt- und Kunsthaar Perücken.

Gibt es irgendein Schicksal einer/eines Betroffenen, dass Euch besonders geprägt hat?

Romina hat über eine längere Zeit ein Mädchen begleitet, welches von Alopecia betroffen ist und einem Heim wohnte. Die Heimleiter suchten den Kontakt zu Romina, damit sich das Mädchen austauschen konnte. Das Mädchen leidete sehr an ihrem Aussehen und die Sprüche der anderen Kinder im Heim machten das nicht besser. Eine Zeit lang rappelte sich das Mädchen immer wieder auf und kam zu Treffen des Vereins. Doch eines Tages empfand sie es wohl als ein zu grosse Bürde und nahm sich das Leben.

Leider ist dies nicht die einzige Geschichte, die so traurig endet. Über den Verein begleitet Romina immer wieder so drastische Fälle. Es ist uns deshalb ein grosses Anliegen, das Thema Haarlosigkeit in der Bevölkerung zu enttabuisieren.

Was macht Kopfrausch besonders?

Kopfrausch ist, durch Romina und Katrin, die selber von der Haarlosigkeit betroffen sind, sehr authentisch.

Mit ihrer Erfahrung im Umgang mit der Haarlosigkeit und einem vielfältigen Sortiment an Hilfsmitteln, wie Augenbrauen und Wimpern zum Kleben, Pflegeprodukte für den Haarersatz (kein Verkauf von Perücken) und trendigen Kopfbedeckungen, welches von Betroffenen für Betroffene zusammengestellt wurde, möchten die beiden Mädels den Menschen helfen die Diagnose, die damit verbundene Veränderung und den Weg des Annehmens zu erleichtern.

Ich finde Kopfrausch eine tolle Sache und es war mir eine Herzensangelegenheit, Euch Katrin und Romina hier mittels eines kleinen Interviews vorzustellen.

Liebe Katrin und liebe Romina, vielen Dank, dass Ihr Euch zu diesem Interview bereit erklärt habt. Ihr seid toll!

Und wenn Ihr bzw. meine Schweizer Leser/innen jetzt neugierig geworden seid, dann nichts wie hin zu Kopfrausch. Dort findet Ihr alle weiteren Informationen zum Shop, den Events und Hilfe für Betroffene.

Fotos: Kopfrausch

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