Einen alten Baum verpflanzt man nicht – oder Auf Wiedersehen Freising

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Einen alten Baum verpflanzt man nicht – schon vor mehr als fünf Jahren habe ich diesen Satz von meinen Eltern gehört, als ich Ihnen den Vorschlag gemacht habe, aufgrund der erste gesundheitlichen Probleme doch in unsere Nähe zu ziehen.

In unsere Nähe hieß in diesem Fall von Freising nach Mühldorf. Rund 80km liegen zwischen den beiden Orten. Eigentlich nicht viel, aber auch ich werde nicht jünger und im Falle eines Falles kann diese Entfernung und die eine Fahrzeit von über einer Stunde schon einiges ausmachen.

Vor fünf Jahren war auch noch nicht abzusehen, daß meine Eltern tatsächlich einmal aus der Wohnung ausziehen müssen, in der sie schon 30 Jahre wohnten.

Die Wohnung war eigentlich wie für sie gemacht: günstig, mit Aufzug ausgestattet und einer wunderbaren Aussicht über die Stadt. Dort hatten sie ihre Freunde, Ärzte – dort war ihre Heimat.

Nun trat der unerwartete Fall aber doch ein: die Wohnung wurde überraschend verkauft und der neue Eigentümer meldete Eigenbedarf an.

Ich – als Umzugsnomade (der Umzug hier ins Eigenheim war der 11.) – sah darin überhaupt kein Problem und machte meinen Eltern Mut, daß wir das gemeinsam eben alles schaffen und doch dieser Umzug kein Problem für uns als Familie ist.

Nach und nach habe ich dann aber doch begriffen, wie schwer es meine Eltern fällt, das seit Jahre liebgewonnene Zuhause zu verlassen.

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Auch wenn sie es vermutlich nicht glauben: ich weiß, wie schwer ihnen dieser Umzug fällt. Wie schwer es für sie ist, uralte Möbel zu verkaufen oder wegzuschmeißen, für die sie damals viel sparen mußten.

Jedes weggeworfene Stück Papier wurde nochmals gelesen, jede noch so unnütze Dekoration liebevoll betrachtet, um es dann mit traurigen Blicken zu entsorgen.

Ich weiß, daß Tränen geflossen sind. Aus Ärger, Streß, Angst, Unverständnis und der Wut darüber, daß man sich sein Rentenleben dann doch anders vorgestellt hat.

Oft habe ich gemerkt, daß sie einfach nicht mehr können, ihnen die Kraft fehlt und auch das Gewohnte. Und doch habe ich sie weiter angetrieben. Nicht aus Bosheit, nicht aus Unverständnis – nur aus dem Wissen heraus, daß der Abschiedsschmerz sonst noch schlimmer wird. Aus Angst, daß sie mir beide zusammenbrechen und darüber hinaus krank werden.

Die Streitgespräche, die wir hatten reichen vermutlich für noch zehn weitere Leben. Und nicht nur einmal haben mir meine Eltern vorgeworfen, daß ich sie nicht verstehe. Das ich nicht weiß, was es für sie – 62 und 69 Jahre alt – bedeutet.

Doch, das tue ich. Mehr als sie glauben. Denn mit dem Auszug aus der Wohnung, geht auch für mich einiges „verloren“. Ich habe dort meine Kindheit und Jugend verbracht, hatte und habe dort Freunde und es war immer das Zuhause, in das ich gehen konnte, wenn ich mal raus mußte.

Ein neuer Lebensabschnitt

Mit dem Umzug in einen anderen Ort brechen nicht nur sie ihre Brücken hab, sondern auch ich. Endgültig.

Jetzt ist es an der Zeit, Mühldorf zu Ihrem neuen Zuhause zu machen und neue Brücken zu bauen. Ich weiß, daß das klappt.

Gemeinsam schaffen wir das und wir lassen nichts unversucht. Kein „alter Baum“ muß mehr verpflanzt werden und so wie Mühldorf und Umgebung seit 14 Jahren meine neue Heimat ist, wird es hoffentlich auch bald ihr neues Zuhause.

Für eine hoffentlich noch lange, lange Zeit! Mit uns. Mit der Familie.

3 comments

  1. Ruthie 27 Januar, 2017 at 20:35 Reply

    Sooo alt sind sie ja dann auch nicht! Aber da kann ich wahrscheinlich auch nicht mitreden, denn ich bin auch schon oft umgezogen, so dass ich immer das Gefühl habe: Da muss mal wieder ein Tapetenwechsel her 😉
    Und? Wie geht es ihnen?

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